Aug 20, 2016

Tag 5: Die spinnen, die Maharadschas

Heute fahren wir sieben Stunden Richtung Bikaner. Als wir so durch die Dörfer fahren, können wir uns nicht vorstellen, hier ein schönes Hotelzimmer zu bekommen. Die Straßen sind etwas löchrig, und so wackelt der Bus andauernd. Mittlerweile haben wir uns an das Holterdiepolter des Busses gewöhnt und erkennen schon am Bremsen des Busfahrers, ob es ein kleines oder ein großes Schlagloch wird, das uns erwartet. Doch mit Schlafen ist hier nichts. Die schlimmsten Stellen, um mit einem Bus drüber zu fahren, sind die Bahnübergänge! Selbst mit jeglicher Vorsicht und Bedacht des Einzelnen hat man doch jedes Mal ein kurzes Schreckgefühl, wenn man mit dem Bus kurz in der Luft ist.
Dann, als wir gerade durch ein relativ elendes Städtchen fahren und ich inständig hoffe, dass wir hier nicht halten, kommt die Durchsage, dass wir da sind. Alle gucken sich um, und da kommt ein riesen Palast in Sicht. Jetzt sind wir enttäuscht, dass wir hier nur für eine Nacht sein werden.
Das Zimmer ist riesig, gerade wenn man bedenkt, dass wir nur für eine Nacht bleiben. Wir ziehen uns um und gehen wieder herunter in den Eingangsbereich, denn jetzt gehen wir eine Festung besichtigen. An der Festung angekommen werden die ersten Fotos geschossen, noch bevor wir halten. Die Mauer, die die Festung umrandet, ist wunderschön verziert und zwar mit den typisch indischen Tieren.
Wir steigen aus und sammeln uns im Schatten – jetzt, wo wir uns der Wüste Rahjastans nähern, wird es immer wärmer. Unser Reiseführer erzählt uns etwas zu der Geschichte des Gebäudes und warum in der Mitte der Eingangstore Nägel angebracht sind. Diese dienten dem Schutz vorm gewalttätigen Aufbruch mithilfe eines Elefanten. Denn dieser würde mit dem Kopf voran versuchen die Türen aufzustoßen. Wir waren fasziniert, an was alles beim Bau so gedacht wurde.
In der Eingangshalle der zum Museum umgebauten Festung müssen wir warten, bis die Eintrittskarten bezahlt sind. Dabei werden wir angestarrt, die weiße Hautfarbe macht uns zur eindeutigen Attraktion und gerade die Frauen, die bei dem Sonnenschein und den hohen Temperaturen eher eine kurze Hose tragen, werden sehr beäugt, und erneut werden wir alle nach Fotos gefragt. Ein Mädchen hat langsam keine Lust mehr und setzt sich erschöpft hin, in der Hoffnung so alle abzuwimmeln. (Es hilft wenn man sich in Gruppen stellt und den Kreis schließt.) Auf einmal wird ein Mann von zwei anderen zu ihr geführt, was sie dermaßen schockiert, dass sie aufspringt und zu uns kommt – verständlich.
Mit den Karten in den Händen geht unsere Tour los, aber schon nach dem zweiten Abbiegen weiß ich nicht mehr, wo wir herkommen. Denn wir gehen immer durch einen Innenhof, der an jeder Seite Zimmer hat und dann zum nächsten Hof leitet. Ein Zimmer ist das sogenannte „Regenzimmer“, denn der Maharadscha wollte – gerade hier nah der Wüste – immer dann Regen haben, wenn er es wollte. Das Zimmer ist blau angestrichen, ab Kopfhöhe kommen graue Wolken und Blitze dazu. Früher soll es hier auch einen Miniwasserfall gegeben haben, damit der Maharadscha das Gefühl haben konnte, es würde wirklich regnen. „Die spinnen, die Maharadschas.“
In den vorletzten Räumen der Festung sind die alten Waffen aufgehoben, und ich staune nicht schlecht, als ich sehe, dass die Gewehre teilweise länger als ich sind. Das Kettenhemd fasziniert mich am meisten, denn es wiegt unglaubliche 25kg. Neben ihm liegt wohl der älteste Rückenkratzer der Geschichte und unterscheidet sich kaum vom heutigen Modell – mit einer kleinen Hand. Nach unserer Führung gehen wir zum Bus, der nun umgeparkt hat, damit er in der richtigen Richtung steht – mit so einem Reisebus ist das gar nicht so leicht. Der Weg dorthin führt uns über den Gehweg, und ich staune nicht schlecht, als eine umgestürzte Laterne hier herum liegt. Als ich gerade einsteige, machen mich die anderen Mitreisenden darauf aufmerksam, dass ich von drei jungen Männern verfolgt wurde. Ich denke mir nichts dabei, und als wir nach 15min im Bus immer noch nicht losfahren und meine Sitznachbarn hinausgucken, stehen die Männer noch immer da und machen Fotos von mir – oder dem Bus, aber alle haben das verneint, als ich gefragt habe. „Die spinnen, die Inder.“
Zurück im Hotel sind wir alle durchgeschwitzt, schnell ziehe ich mich um und suche das Schwimmbecken. Eine Abkühlung tut gut. Als wir alle beim Abendessen sitzen und uns über die bisherige Zeit unterhalten und fest davon überzeugt sind, dass nichts mehr passiert, außer dass wir duschen und danach ins Bett fallen, geschieht es. Ein Stromausfall. Blöd nur, dass der Speisesaal keine Fenster hat. Es ist stockduster und ich hab Angst, mein Glas umzuschmeißen. Doch wir leben in einer Welt in der fast jeder ein Mobiltelefon mit Lampe besitzt. Mein Tischnachbar ist so galant und hat sogar eine App, mit der eine Kerze dargestellt wird, die unserem Tisch das notwendige Licht spendet. Was uns allerdings am ehesten beunruhigt ist die Tatsache, dass die Klimaanlagen ausgegangen sind und es langsam aber sicher wieder zu warm wird.

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